Kassel hieß bis 1926 übrigens Cassel, von Amtswegen. Es liegt
mitten in Deutschland. Via Fulda und Weser hat es sogar Anschluss an die
Nordsee. Für eine kunstinteressierte studierte Grafikdesignerin besticht das
Städtchen allerdings eher durch die Documenta.
Das ist die weltweit bedeutendste Reihe von Ausstellungen für zeitgenössische
Kunst in Deutschland.
Wofür sie allerdings NICHT berühmt
resp. zeichensetzend ist, ist die Berliner regionale Fleischspezialität, das Kassler.
Tatsächlich ist es eine
regionale gepökelte und leicht geräucherte Schweinefleischzubereitung.
Der ‚Sage‘ nach ist Kassler die Erfindung des Berliner Fleischermeisters Cassel im 19. Jahrhundert. Die in der
Literatur oft genannte Adresse der fraglichen Fleischerei in der Potsdamer
Straße 15 existierte seit 1862. Sie lag allerdings damals vor den Toren Berlins.
Die Stadt Schöneberg, zu der sie gehörte, wurde erst 1920 nach Groß-Berlin
eingemeindet. Die Zeiten ändern sich und heute bekommt man das beste Kasseler
beim Fleischermeister seines Vertrauens, z.B. hier. Wenn Herr St. liebevoll
sein Produkt vor meine Linse hält geht einer Karnivorin (lat. Carnivorus =
Fleisch und vorare = verschlingen) das Herz über.
Wie auch immer das Kassler kann
gebraten, gekocht oder, auch gerne im Brot- oder Blätterteig nett verpackt, im
Ofen gebacken werden. Auf den Grill gehört es allerdings definitiv nicht! Bei den
dabei entstehenden hohen Grilltemperaturen können die Eiweißbestandteile aus dem
Fleisch mit Anteilen des Pökelsalzes reagieren. Dadurch besteht die Gefahr,
dass gesundheitsschädliche Stoffe (hier Nitrosamine)
entstehen.
Das sagenumwobene scheue Kasselertier als solches gibt es allerdings
wirklich nicht, weder hier noch in Australien. Vielen, nicht
Schweinefleischessern, käme das allerdings sehr entgegen.
Das Kasseler kann aus dem Rippenstück,
dem Nacken, der Schulter und dem Bauch des Schweines hergestellt werden.
Da haste aber Schwein jehabt,
sagt der Berliner, wenn er mal
wieder Massel hatte – also Glück gehabt hat. Eine Redensart, deren Herkunft
nicht ganz endgültig geklärt ist. Schön allerdings ist diese: Bei
Sportwettkämpfen im Mittelalter, wie z.B. dem Augsburger Schießfest, wurde dem
Verlierer als Trostpreis ein Schwein geschenkt. Wer das Schwein bekam, erhielt also
etwas, ohne es eigentlich verdient zu haben.
Das Kasseler ist ein
Schlechtwetter- oder Winteressen. Es aromatisiert deftige Eintöpfe, aber
berühmt ist eigentlich der Kasseler Braten mit Sauerkraut, Soße und
Sättigungsbeilage nach Wunsch, Kartoffel-Brei, -Klöße oder Salzkartoffeln.
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Kassler Braten mit Sauerkraut und Kloß |
Es wird mit Recht ein guter Braten
Gerechnet zu den guten Taten;
Und dass man ihn gehörig mache,
Ist weibliche Charaktersache.
Ein braves Mädchen braucht dazu
Mal erstens reine Seelenruh,
Dass bei Verwendung der Gewürze
Sie sich nicht hastig überstürze.
Dann zweitens braucht sie Sinnigkeit,
ja, sozusagen Innigkeit,
Damit sie alles appetitlich,
Bald so, bald so und recht gemütlich
Begießen, drehn und wenden könne,
Dass an der Sache nichts verbrenne,
In Summa braucht sie Herzensgüte,
Ein sanftes Sorgen im Gemüte,
Fast etwas Liebe insofern,
Für all die hübschen, edlen Herrn,
Die diesen Braten essen sollen
Und immer gern was Gutes wollen.
Ich weiß, dass hier ein jeder spricht:
Ein böses Mädchen kann es nicht.
Drum hab' ich mir auch stets gedacht
Zu Haus und anderwärts:
Wer einen guten Braten macht,
Hat auch ein gutes Herz.
Aus Kritik des
Herzens von Busch Wilhelm um 1900
Meine häuslichen ‚fleischfressende
Pflanzen‘ lieben das Kassler Kotelett ohne Knochen kurz gebraten und mit viel
geschmorten Zwiebeln – ein schnelles Samstagsessen am besten serviert mit
frischem Bauernbrot.
Eines aufwendigen Rezeptes bedarf
es hier ja wohl nicht:
Rin inne Fanne und ruff uffn
Teller, feddisch (Rein in die Pfanne und rauf auf den Teller, fertig) – bingo!
Lasst‘s
euch schmecken.